Mittwoch, 14. Mai 2014
Ich wilder Kaiser
Vor dem Bauernhaus sitze ich und betrachte den Wilden Kaiser, der tatsächlich herrschaftlich über die liebliche Landschaft wacht. Das Heu ist schon eingebracht und die Luft ist voller Düfte, aufgewärmt von der sommerlichen Sonne, dem Schwitzen auf dem Fahrrad und diesem allzu kurzen, aber sehr erfreulichen Stelldichein mit Liesl, an der Stallwand, gleich hinter dem Holderbusch, an der Rückseite des Hauses, die sich als erstes im Schatten des herannahenden Abends vor dem Tag versteckt.
Bereits zirpen die Grillen, die Bienen tanzen noch über den Blumen, Mücken wirbeln im Schwarm in einem Kreis umher und das Grasen der Kühe auf der nahen Wiese wird von einem Bimmeln der Glocken begleitet, welche ihre kräftigen Hälse zu Boden zu zwingen scheinen.
Schon beglückt von dieser Ruhe und noch erregt von der kleinen Liebelei, atme ich wie ein Radrennfahrer mit hämmerndem Puls auf der Holzbank, am Holztisch, vor der Holzwand, neben der Holzbeige und spüre das Blut, welches durch meine Adern gepumpt wird, als besässe ich in meinem Innersten ein kleines Wasserkraftwerk. Dieses innere Aufgewühltsein, die soeben erlebte Erregung und das erlösende Zusammenfallen aller Spannung, begleitet von ein paar Zuckungen und leisen Schreien, kontrastiert mit dieser friedlichen Stimmung nur vermeintlich. Aber in Wahrheit vermischen sich diese Erlebnisse und Gefühle zu einem harmonisch gemalten Tableau, das noch kaum trocken, in leuchtenden Farben strahlt und mich mit allem versöhnt, was in den letzten Tagen an Aufregung und Unbill zusammengekommen ist.
So sitze ich in meinen noch ausgebeulten Lederhosen vor dem Haus, schmecke den Apfelmost auf der Zunge und rieche den süssen Schweiss von Liesl, während sie mir eine Schüssel mit frisch geschnittenem Blattsalat vorsetzt, der mit verschiedensten Blumen gemischt ist und den sie mir mit Schwarzbrot und einem Stück Speck reicht. An einem solchen Abend, das weiss ich jetzt, ist alles möglich. Da kann alles kommen und alles passieren. Selbst, wenn ich mich dafür an die Liesl binden müsst. Heute bin ich der Kaiser.
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