Mittwoch, 9. Juli 2014

Floras Befreiung



Nachdem Flora Escobal ihren Mann endlich umgebracht hatte, weil sich die Auswirkungen seiner Schläge auf ihrem Gesicht irgendwie nicht mehr vor anderen verstecken liessen, überkam sie ein grosser Hunger.

Und nachdem sie ihn zuerst in der Badewanne ausbluten liess, ihn dann in sechs kleinere Stücke teilte und diese an sechs verschiedenen Orten vergrub, pflanzte sie auf jede der Grabstellen viele kleine Bischofsmützen, Kakteen, welche hübsche gelbe Blüten trugen und sie stets daran erinnerten, was für ein hübscher Kerl ihr Mann doch gewesen war. Doch mit den Jahren verwandelten die Schläge sein schönes Gesicht in eine angstmachende und brutale Fratze, so dass der Schlag mit der Schaufel in diese hübsche Fresse ihres Mannes der guten Flora irgendwie ganz leicht viel. Und nachdem er zuerst einmal einen guten Teil seiner makellosen Zähne ausgespuckt hatte und erschrocken ins Gesicht seiner Frau sah, da war es schon zu spät, um auf die Spitzhacke zu reagieren, die sich gerade mit unglaublicher Wucht in seine Schädeldecke bohrte, wobei er noch das Knacken der brechenden Schädeldecke zu hören glaubte, bevor sich für ihn dann der wunderbar blaue Himmel über Mexiko für immer verdunkelte.

Doch Flora sass jetzt zufrieden in ihrer Küche und teilte mit geschickten und erstaunlich ruhigen Händen ein paar grosse Chilischoten, welche sie dann über der Gasflamme des Herdes zu rösten gedachte. Dazu wollte sie einen Reis mit Rosinen kochen, den sie dann mit lauwarmem Pulpo und fein aufgeschnittener Chorizo servierte. Mit anderen Worten, sie bereitete gerade ein für ihre Verhältnisse doch sehr üppiges Mahl vor, welches man vielleicht an einem Sonntag, aber doch nicht einfach an einem einfachen Dienstag zubereiten mochte. Aber da sie ja ihren Mann endlich los geworden war und dazu ihre vier besten Freundinnen zum Nachtessen geladen hatte, schien ihr der Aufwand mehr als gerechtfertigt. Ja, heute war ihr grosser Tag.

Als drei Stunden später die fünf Freundinnen gemütlich um den Küchentisch in der türkisfarben gestrichenen Küche sassen und an einem Glas Weisswein nippten, räusperte sich Flora und ergriff feierlich das Wort. Auf die unschuldigste und herzlichste Weise, die man sich vorstellen kann, eröffnete sie ihren Freundinnen, dass die Einladung kein Zufall war, sondern dass man etwas zu feiern hatte. Und um ihre Gäste nicht noch lange auf die Folter zu spannen, sprach sie die Worte mit einem grossen Strahlen im Gesicht endlich aus und gestand ihnen, dass Carlos Ruiz Escobal für immer gegangen ist. Und zwar nicht einfach weg, sondern zum lieben Herrgott.


Anna, Maria, Laura und Paola, ihre vier besten Freundinnen sassen ganz plötzlich wie versteinert auf ihren Stühlen und blickten Flora mit erschrockenen Augen an. Da wollte Maria wissen, wie sie das denn genau meine? Was war mit Carlos passiert? War ihm etwas zugestossen? Und wann sei das denn geschehen? Und ob sich Flora auch sicher sei, dass ihr Mann nicht einfach für ein paar Tage irgendwohin verreist war?

Als Flora sah, dass ihre Nachricht ihre vier besten Freundinnen weit mehr verstört hatte, als sie es – sie wusste genau, warum das so war – tatsächlich erwartet hatte, blickte sie etwas traurig, aber sehr sanftmütig, in ihre Gesichter und sagte dann beinahe zärtlich: „Ach seid nicht traurig wegen Carlos. Ich wusste schon lange, dass ihr mich als seine Frau zwischen den Laken abgelöst hattet. Doch, doch. Ich wusste es. Denn Carlos hatte die Angewohnheit, im Schlaf zu sprechen und dabei die Wahrheit zu erzählen. Aber ich verzeihe euch. Ich verzeihe euch jetzt. Und ihr könnt euch sicher sein, dass Carlos nicht lange alleine bleiben wird. Ihr hättet einfach nicht das zweite Mal von der Chorizo probieren dürfen.“

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