Donnerstag, 8. August 2013

Mein lieber Schwan, dieses Brot!



„Ach, es ist ja eine Zumutung, was man uns heute alles so ins Wasser wirft“, seufzte Schwänin Gotthilde und plusterte dabei ihr Gefieder theatralisch auf, während sich die anderen Schwäne um sie herum gerade auf ein paar Brocken Brot stürzten, die eine ältere Frau in die Limmat geworfen hatte. Schliesslich reichte ihr Stammbaum bis ins 18. Jahrhundert und einer ihrer Vorfahren war schon zu Zeiten Friederich II. in den Brunnen von Sanssouci herumgepaddelt.

„So schlimm ist es doch gar nicht, Schnuckelchen“, erwiderte mampfend Schwan Bruno, der mit Gotthilde in wilder Ehe lebte und in Sachen Stammbaum schon einmal gar nichts vorzuweisen hatte, „diese Stücke sind doch genau so mundgerecht geschnitten, wie du es magst.“

Schwänin Gotthilde schaute ihm mit einem mitleidigen, bekümmerten und dennoch begehrenden Blick dabei zu, wie er die Brotstücke, eins nach dem anderen, schnappte und dann hinunterwürgte, als wäre es das Letzte, was er auf dieser Welt noch zu fressen bekam. „Er ist ja ein wunderbarer Liebhaber und ich mag seine animalische Art wenn es zur Sache geht“, dachte sie im Stillen, „aber beim Fressen wird er zu einem richtigen Bauernschwan, der noch nie zuvor eine Flosse in ein urbanes Gewässer getaucht hat.“ 

Doch Bruno von der unverhofften Mahlzeit begeistert und daher blind für jede Gefühlsregung seiner Partnerin, liess sich den Spass nicht verderben und munterte sie auf: „Mmmhhh, Gotthildchen, Weissbrot, feinstes Weissbrot sag ich dir. Nichts Angebranntes, kein dunkles Krüstchen, sondern nur feines, helles Brot. Mmmpf, mmmpf, mmmpf“. 

„Ach Bruno! Es geht ja nicht um helles oder dunkles Brot. Sondern darum, wie heutzutage das Brot grundsätzlich gemacht wird. Das meiste ist doch nur noch Massenware und hat keinen eigenen Geschmack mehr“, ereiferte sich Gotthilde und begann jetzt sehr belehrend zu werden, „dabei wäre es doch so einfach, ein gutes Brot zu machen, das mit einem Vorteig hergestellt wurde und bei dem man noch die Hefe schmeckt und weiss, dass der Teig die Zeit zum Ruhen und Gären auch wirklich hatte. Knusprig, frisch, etwas salzig, nicht zu säuerlich“, schwärmte sie, „stattdessen wirft man uns eine Pampe vor die Schnäbel, die schon beinahe an eine Beleidigung grenzt.“

„Aber Schätzchen“, versuchte Bruno sie zu besänftigen, weil er sah, dass sich die anderen Schwäne darüber ärgerten, dass diese besserwisserische Gans von einem Schwan ihnen das Fressen wieder einmal madig machen wollte, „die Menschen werfen das Brot ja sowieso für uns in den Fluss, wo es dann von Wasser vollgesogen wird. Was spielt es denn da für eine Rolle?“

„Menschenrechte, mein Lieber, Menschenrechte!“, rief Gotthilde jetzt energisch aus, weil sie nicht glauben mochte, dass sie so missverstanden wurde. Und sie fuhr fort: „Anständiges Brot gehört in einem so reichen Land wie der Schweiz einfach zu den grundlegendsten Menschenrechten. Wir sind doch keine Enten!“

Das, so Schwan Bruno, musste er jetzt wohl einfach einmal so stehen lassen.

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