Samstag, 24. August 2013

Tango ohne Vorwarnung


„Oh, ich habe mit allen auf der Bühne getanzt. Gene Kelly, Fred Astaire und Ginger Rogers. Donald O’Connor, Debbie Reynolds und Rita Moreno. Verstehst du Schätzchen? Ich habe den ganzen Broadway und Hollywood zum Brodeln gebracht. Und natürlich auch etliche Sternchen aufgehen und so manchen Star fallen sehen. Die Bühne und der Film sind eben nichts für Zartbesaitete, da brauchst du mehr als nur deine beiden Ellbogen... Weisst du, was ich meine? Es braucht Charakter, Willen, Ehrgeiz. Du musst deine Zähne in das Fleisch bohren und deine Krallen nicht nur ausfahren, sondern auch einsetzen können. Sonst endest du gar am Ende noch wie Marilyn Monroe. Oder Lana Turner. Probleme mit Kerlen und dann noch ein Selbstbewusstsein, das tiefer im Keller ist, als all die vergammelten Kartoffeln deiner Urgrossmutter. Hicks...hicks... Tschuldigung... Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, bei den Kerlen. Wenn du nur wüsstest, wie sie mich alle bewundert haben. Sie lagen mir zu Füssen. Nicht, weil ich etwa die grösste Oberweite oder den tiefsten Ausschnitt präsentieren konnte, sondern weil ich als Tänzerin eine Künstlerin war... Verstehst du? Ich war ein loderndes Feuer auf der Bühne; geschmeidig wie eine Cobra, die jederzeit bereit war, einen Angriff zu wagen und die Blicke auf sich zu ziehen. Oh ja, das kannst du mir glauben. Ich war nicht zu bremsen und warf mein ganzes Können und mein Talent auf die Bühne. Denn ich war für sie geboren und...hicks...ähm...und...hicks..., du weisst schon... Schenkst du mir noch einen ein, Schätzchen? Der ist wirklich nicht von schlechten Eltern, aber ein bisschen mehr Gin darf es ruhig sein, komm, sei so lieb... Jaaa, genau so, danke Süsser... Ach die guten alten Zeiten. Wie sehr ich sie doch vermisse. Die Gentlemen im Smoking, die dich im Studebaker President im Beverly Wilshire abgeholt haben, um dich zum Hummer und Champagner auszuführen – Kaviar und Austern waren ja nie mein Ding, aber den Hummer, den mochte ich schon, du weisst schon. Und die Rosen! Oh mein Gott, diese Rosen... schubkarrenweise wurden sie mir in die Garderobe gebracht, mit Kärtchen in parfümierten Couverts. Ist das nicht ein bisschen schwul? Und ein jeder versprach mir die Sterne vom Him...hicks...el. Dabei wollte ich doch nur tanzen, tanzen, tanzen... Was schaust du denn so? Mein Glas? Was ist damit? Schon wieder leer ist es, das ist damit! Komm mein Lieber, mach mal nicht so ein Gesicht und schenk mir noch einen ein, ja? Schliesslich bin ich ja nicht jedes...hicks...in Zürich. Aber mein Juwelier hat gemeint, in der Kronenhallenbar wäre ich bestens aufgehoben. Also mein Kleiner, hab dich nicht so und schenk mir noch einen ein. Sonst wird Mutti ganz böse. Und wenn ich böse bin, dann...hicks...dann...zieh ich mich aus. Und glaub mir, das ist das Letzte, was du sehen möchtest.“

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