Sonntag, 18. August 2013

Romy hat am Kaiser einen Schmarrn gefressen



Im Sommer 1965 sehen wir gerade Romy Schneider am Steuer eines roten MGB Roadster auf der Strasse von Kirchberg über Reith in Richtung Kitzbühel fahren. Sie trägt ein ärmelloses hellgrünes Sommerkleid von Givenchy, das in der Sonne wie ein Grasfrosch zu leuchten scheint, und hat ein aus Seide broschiertes lilafarbenes Kopftuch über ihre Haare und um den Hals gebunden. Die Sonnenbrille bedeckt dunkel die Augen und gibt der Schauspielerin ein strenges und sehr selbstsicheres Aussehen, wie wir es noch in den Jahren danach in ihren französischen Filmen sehen werden. Es ist die Abgeklärtheit einer Frau, der man nichts mehr vorzumachen hat, die aber gerade auch an dieser Tatsache etwas zu leiden scheint. Sie ist ein in sich brodelnder Vulkan, ein japanisches Seidenpapier, eine erschreckte Wölfin.

Mit etwas zu hoher Geschwindigkeit steuert sie ihr Auto durch das Tirol, zieht die Kurven enger als nötig und tritt aufs Gaspedal, wenn sich die Strasse vor ihr in die Länge zieht und das Tal sich auftut. So fährt eine junge Frau, die offensichtlich nicht nur Sissi hinter sich gelassen hat, sondern auch Hollywood, von wo sie erst kürzlich wieder nach Europa zurückgekehrt ist, um wieder einmal einen Neuanfang zu machen.

Am Schwarzsee vorbei kurvt Romy Schneider ihren Wagen endlich durch das Städtchen Kitzbühel und hält schliesslich vor dem Hotel ‚Zur Tenne’, das in der Vorderstadt liegt. Sie steigt aus, bleibt kurz stehen, blickt die farbigen Fassaden dieser langen Gasse an und setzt sich dann an einen weiss gedeckten Tisch, der im Schatten eines gelben Sonneschirms steht. Sogleich erscheint ein Kellner in seiner weissen Jacke – man gibt sich hier gerne etwas feiner als man es sonst in dieser Gegend tut – und fragt über den prominenten Besuch erstaunt und etwas gar zu hoffertig, was die gnädige Frau zu bestellen wünscht.

„Bringen Sie mir bitte einen Kaiserschmarrn mit Zwetschkenröster. Aber bitte ohne Rosinen“, lächelt Frau Schneider etwas belustigt den verdutzten Kellner an, „und einen Verlängerten bitte.“

„Sofort, gnä’ Frau. Der Kaiserschmarrn wird aber leider a bisserl dauern, da wir ihn ja früsch zubereiten“, stammelt der Kellner und eilt sofort in das Haus.

Ja ja, sie scheint Sissi tatsächlich hinter sich gelassen zu haben, die Romy. Denn wie eine Legende berichtet, soll der Name Kaiserschmarrn aus dem Grund entstanden sein, weil ein der Kaiserin Elisabeth servierter Schmarrn von ihr nicht gemocht wurde und dieser dann von ihrem Gemahl, dem Kaiser, verärgert, aber wohl nicht ganz ungerne, weggeputzt wurde. So scheint sich also die Romy doch noch an der Sissi zu rächen, wenn auch auf sehr subtile Weise, indem sie den Kaiserschmarrn mit einem Heisshunger verschlingt. Es gibt schlechtere Wege, eine Altlast verschwinden zu lassen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen