Dienstag, 23. Juli 2013

Keiner macht den Wurstsalat wie Margrit Rainer



Bsssss. Klack, klack, klack. Schon ist mein Zauberteleskop eingerastet und wir befinden uns im Sommer 1957. Durch die Linse blickend schweife ich in behender Geschwindigkeit über den Zürichsee auf die Stadt am nördlichen Ende des Gewässers zu, beobachte noch kurz ein paar wenige Segelschiffe auf der Höhe der Badi Utoquai und fliege dann weiter Richtung Bellevue. Ah, wir sind pünktlich. Die Vorstellung ist soeben fertig.

Die Sommerabende in Zürich können sehr warm sein. Vor allem wenn kein Lüftchen sich regt, die Mücken über der Limmat wie kleine Geister herumwirbeln und sich selbst die Schwäne im Wasser gelangweilt einfach nur treiben lassen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass es jetzt wohl am besten wäre, einen Campari oder einen Martini im Schatten zu trinken und die Dämmerung und das Hereinbrechen der Nacht ruhig und erholt zu erwarten. Aber der heutige Junisonntag kündigt jetzt schon an, was im Juli und August in der Stadt noch zu erwarten ist: der Saharawind aus dem fernen Afrika.

Die Nachmittagsvorstellung des Hechtplatztheaters ist gerade zu Ende gegangen und die Zuschauer haben sich bereits mit lachenden Stimmen in alle Gassen verteilt. Dabei schleichen sie dem Schatten der Häuser entlang, um nicht zu sehr ins Schwitzen zu geraten. Denn bei beinahe dreissig Grad ist der Hut für die Männer nicht nur ein erwünschter Sonnenschutz, sondern oft auch Ursache für durchnässte Nackenhaare. Und sei der Bürstenschnitt noch so kurz. Und selbst die stets auf Contenance bedachten Damen in ihren Handschuhen, schliesslich ist Sonntag und man war im Theater, gäben jetzt viel dafür, ihre Handgelenke an einem Brunnen zu kühlen und sich mit dem Programmheft etwas Luft zuzufächeln. Aber der Tisch im Restaurant ist schon reserviert und man mag die Kellner nicht warten lassen. 

„Was meinsch Ruedi, gönd mir no Öppis go ässe?“ Margrit Rainer steht in ihrem Sommerkleid, einem leichten, seidigen Deux-pièces in Gelb, vor dem Theatereingang und lächelt Ruedi Walter herzlich ins Gesicht und doppelt gleich nach: „Weisch, nu näbis Chliises.“

„A was hesch dänn dänggt? I d’Kronehalle für en Balleronsalat? Oder glich öpe äs Chateaubriand?“, lächelt Walter verschmitzt.

„Nei nei, am liebschte hät ich jetzt gärn en Wurschtchässalat. Oder uf was hetsch du denn Luscht?“, fragt Frau Rainer ganz beiläufig und an der Antwort nicht wirklich interessiert, weil sie weiss, dass er ihr diesen Wunsch nicht wird abschlagen wollen. „Chumm, mir gönd is Odeon zerscht eis go näh.“

Während die beiden die wenigen Meter vom Hechtplatz zum Odeon schlendern, beginnt Ruedi Walter ganz schwärmerisch zu parlieren. „Weisch no im letschte Summer, wo für eus alli so en wunderbare Wurschtchässalat gmacht hesch?“

„A das magsch du dich no erinnere?“, lächelte Margrit Rainer geschmeichelt, „Das isch jo nöd grad so ä riesig schwierigi Aglägeheit gsii.“

„Doch, doch“, widerspricht ihr Walter sofort, „dä Wurschtchässalat isch ganz famos gsi. Mit dännä häärzige Bliemli. Das isch s’erschtmol gsii, wo’n i Bliemli gässä han. Das het mir jo mini Frau deheimä fasch nid glaubt. Scho wo’n i dur Tire gho seig, heig i usgseh, als ob i än Erschinig gha heig.“

Margrit Rainer bleibt vor ihm stehen und beginnt nun zu lachen. „Aber Ruedi, wenn ich gwüsst hät, dass du so än LIechtgläubige bisch, dänn het ich kei Kapuzinerchressi uf dä Salat tue. S’Nögschtmal tuen ich denn Gänseblüemli druf, denn bliibsch wenigschtens unschuldig.“

Bsss. Klack. Schon ist es wieder eingefahren, das Zauberteleskop. Wie eigenartig, wenn man zwei ganz Grosse der Schweizer Theater- und Cabaretszene so beiläufig über einen Wurstkäsesalat sprechen hört. Und der Humor, wie bieder uns der doch erscheint: „S’Nögschtmal tuen ich denn Gänseblüemli druf, denn bliibsch wenigschtens unschuldig.“ Das hätte auch von meiner Grossmutter – Gott hab sie selig – stammen können, was auch mit den Jahrgängen von Rainer und Walter etwa hinkäme. Aber wenigstens hat das Odeon damals noch besser ausgesehen.

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