Montag, 1. Juli 2013

Lambchop

Wieder sitzen wir am offenen Fenster, während die Welt an uns vorbeirauscht. Mit einem breiten Pinsel auf eine leere Leinwand gemalt, verliert sich die Intensität der verschiedenen Gelb- und Lilatöne der in der hereinbrechenden Nacht liegenden Landschaft langsam im Nichts. Aus den Autolautsprechern kullert die zerbrechliche Stimme von Kurt Wagner, und die eleganten Klänge seiner Band Lambchop pulsieren wie durchsichtige Quallen hinaus in die Dämmerung und tauchen ins klare Himmelsmeer. Plötzlich steigt ganz unvermittelt ein würziger und intensiver Duft von gebratenem Fleisch in unsere Nase. Das Blinklicht tickt synkopisch zur Musik, die Reifen knirschen auf Kies und schliesslich kommt der Wagen zum Stehen. Lambchop verstummt.

Wir haben uns einen Scherz aus der Tatsache gemacht, dass es heute Lamm zum Abendessen geben soll, und die Musik ganz danach ausgerichtet, auch wenn nur dem Namen nach. Doch jetzt wo wir in der Trattoria della Posta vor unseren Tellern sitzen und ich die ersten Bissen des Agnello da latte al forno probiere, scheint aus der Albernheit eine Fügung geworden zu sein. Unwissentlich haben wir den Soundtrack zu diesem eleganten Essen vorweg genommen. Ein Gericht voller unaufdringlicher Poesie, geradlinig, ungekünstelt und doch umwerfend. Ein solches Lamm kriegt man nicht alle Tage serviert. Und ich muss spontan genau an vier Restaurants in den letzten zwei Jahren denken, die für uns unverhofft zu einer kleinen Offenbarung wurden und uns in Erinnerung bleibend zeigten, wie grossartig Lamm auf die verschiedensten Arten gekocht werden kann.

Da wären das ‚54 Mint’ in San Francisco, wo wir einen im Rotwein geschmorten Lammschlegel assen, den wir in dieser nüchternen Seitenstrasse südlich der Market Street so wohl nicht erwartet hätten. Dann das Restaurant ‚Kaiserstock’ in Riemenstalden, zu dem man über eine kleine, sich in die Höhe schlängelnde Strasse über dem Vierwaldstättersee gelangt und das uns, inmitten eines Meeres von Blumenkästen sitzend, mit wunderbaren Gigotbraten grosse Freude bereitete. Dann das Restaurant ‚Sissi’ in Meran, in dem uns der buben- und schalkhafte und überaus freundliche Andrea Fenoglio eine geschmorte Milchlammschulter servierte, dessen Fleisch wie pulvriger Schnee vom Knochen zu fallen schien. Und schliesslich die ‚Trattoria della Posta’ hier in Monforte d’Alba mit dem Agnello da latte al forno.








http://www.kaiserstock.ch/

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