Samstag, 14. September 2013

Planetenbäume im Bergell



Alberto lag unter dem Blätterdach einer Edelkastanie und blickte zu den braunen und haarigen Kugeln, welche die Früchte dieses Baumes in sich trugen. Erst vor ein paar Wochen waren er und seine Geschwister noch im Sommerhaus in Maloja am Silsersee gewesen und hatten den flatterhaften Flug von Schmetterlingen und das Schweben der Bienen über Türkenbund beobachtet. Doch jetzt lag er hier und blickte zu den Kastanien hoch, die für ihn aussahen, als wären es kleine Planeten am durch Schatten dunkelgrün gefärbten Himmel.

Kastanien waren nicht nur das Brot der Bäume und Armen, sondern bedeuteten für Alberto auch die Vorfreude auf das feine Marronipüree, das seine Mutter wieder machen würde. Hergestellt mit Milch, Zucker, Kirschwasser und Vanillestengeln aus dem fernen Afrika, welche Freunde des Vaters – allesamt ebenfalls Künstler und Maler – jeweils aus Milano mitzubringen pflegten, um der Familie Giacometti eine Freude zu machen. 

Doch jetzt hatte Alberto nur Augen für diese kleinen stacheligen Planeten und fragte sich, wo im Universum diese wundersamen Sterne wohl wohnen mochten. Und wie würde man sie erreichen können? Die Flugzeuge, die es seit ein paar Jahren gab, wären dafür wohl alles andere als geeignet gewesen. Nein, es müsste etwas Grösseres sein. Etwas, dass so unfassbar und übernatürlich war wie diese Planeten an den Bäumen. Planetenwanderer. Menschen mit langen Beinen und schmalen Körpern, welche diese Sterne einfach vom Himmel pflücken konnten. Menschen, die nicht innehielten und auf der Milchstrasse mit grossen Schritten von Stern zu Stern hüpfen konnten. Und er, Alberto, wollte diese Planetenwanderer schaffen.

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