Sonntag, 28. Juli 2013

Schlorzifladen im Appenzellermärchenland



Es gibt ein Märchenhaus, das liegt zuoberst auf einem Berggrat und thront über den Hügeln des Appenzellerlandes. Weit schweifen von da die Blicke ins Land hinaus und können den Schmetterlingen folgen, die von den Einheimischen Flauder genannt werden, und die in den Sonnenstrahlen des Nachmittags ihre Tänze über den spärlichen Blumen der Alpweiden machen. Vor uns liegt der Bodensee, den man von rechts bis links beinahe ganz überblicken kann. Es ist ein sehr schöner Anblick, und es fällt durchaus schwer, dabei nicht in Ehrfurcht zu erstarren.

Hier oben treffen sich die kleinen Trolle zum Tanzen und Musizieren, zum Essen und Trinken, zum Geschichten erzählen und Geschichten erfinden. Denn die Luft hier oben ist etwas dünner als im Unterland. So kommt es, dass die Fantasie der Trolle hier manchmal einen über den Durst trinkt und nicht mehr weiss, was war, oder wie es hätte gewesen sein können. Und es tummeln sich die Worte und Gedanken zu Sagen, Fabeln, Liedern und Legenden zusammen und sprudeln dann wie ein wild gewordenes Bergbächlein aus den von Bier und Speichel glänzenden Mündern. Und manchmal, wenn das Hackbrett, der Brommbass und die Geige nicht weit weg sind, dann werden daraus die fröhlichsten, traurigsten, lüpfigsten, melancholischsten und eigenartigsten Lieder. „Beere, Beerewegge, Chäs ond Brot...“

Ja, das Märchenhaus ist ein sonder- und wunderbarer Ort. Und wenn man davor steht und in die weite Welt blickt, will man kaum glauben, dass es einen solchen Ort gibt. Doch statt sich ständig in die Ohren zu kneifen, um sich darüber zu vergewissern, haben sich die Trolle hier oben ein Loch ins Ohr gemacht und kurzerhand eine kleine glänzende Goldkuh hineingesteckt. So weiss ein jeder, dass er ist und dass er fühlt und dass er nicht träumt. Und weil das so ist, findet man immer wieder einen Grund, zusammen an einen Tisch zu sitzen und sich dann von der Märchenfee und ihrem Märchenmann die herrlichsten Köstlichkeiten servieren zu lassen. Wunderbare Schlorzifladen, Wurstsalat mit und ohne Käse, Appenzeller Pantli und natürlich die gluschtigsten Siedwürste mit Chäshörnli. Es ist ein Märchenhaus hier oben. Und wenn uns die letzten Strahlen der untergehenden Sonne an der Nase kitzeln, dann wissen wir, dass dieses Märchen keine Erfindung ist. Denn so gut erfinden kann man einfach nicht.

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Dienstag, 23. Juli 2013

Keiner macht den Wurstsalat wie Margrit Rainer



Bsssss. Klack, klack, klack. Schon ist mein Zauberteleskop eingerastet und wir befinden uns im Sommer 1957. Durch die Linse blickend schweife ich in behender Geschwindigkeit über den Zürichsee auf die Stadt am nördlichen Ende des Gewässers zu, beobachte noch kurz ein paar wenige Segelschiffe auf der Höhe der Badi Utoquai und fliege dann weiter Richtung Bellevue. Ah, wir sind pünktlich. Die Vorstellung ist soeben fertig.

Die Sommerabende in Zürich können sehr warm sein. Vor allem wenn kein Lüftchen sich regt, die Mücken über der Limmat wie kleine Geister herumwirbeln und sich selbst die Schwäne im Wasser gelangweilt einfach nur treiben lassen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass es jetzt wohl am besten wäre, einen Campari oder einen Martini im Schatten zu trinken und die Dämmerung und das Hereinbrechen der Nacht ruhig und erholt zu erwarten. Aber der heutige Junisonntag kündigt jetzt schon an, was im Juli und August in der Stadt noch zu erwarten ist: der Saharawind aus dem fernen Afrika.

Die Nachmittagsvorstellung des Hechtplatztheaters ist gerade zu Ende gegangen und die Zuschauer haben sich bereits mit lachenden Stimmen in alle Gassen verteilt. Dabei schleichen sie dem Schatten der Häuser entlang, um nicht zu sehr ins Schwitzen zu geraten. Denn bei beinahe dreissig Grad ist der Hut für die Männer nicht nur ein erwünschter Sonnenschutz, sondern oft auch Ursache für durchnässte Nackenhaare. Und sei der Bürstenschnitt noch so kurz. Und selbst die stets auf Contenance bedachten Damen in ihren Handschuhen, schliesslich ist Sonntag und man war im Theater, gäben jetzt viel dafür, ihre Handgelenke an einem Brunnen zu kühlen und sich mit dem Programmheft etwas Luft zuzufächeln. Aber der Tisch im Restaurant ist schon reserviert und man mag die Kellner nicht warten lassen. 

„Was meinsch Ruedi, gönd mir no Öppis go ässe?“ Margrit Rainer steht in ihrem Sommerkleid, einem leichten, seidigen Deux-pièces in Gelb, vor dem Theatereingang und lächelt Ruedi Walter herzlich ins Gesicht und doppelt gleich nach: „Weisch, nu näbis Chliises.“

„A was hesch dänn dänggt? I d’Kronehalle für en Balleronsalat? Oder glich öpe äs Chateaubriand?“, lächelt Walter verschmitzt.

„Nei nei, am liebschte hät ich jetzt gärn en Wurschtchässalat. Oder uf was hetsch du denn Luscht?“, fragt Frau Rainer ganz beiläufig und an der Antwort nicht wirklich interessiert, weil sie weiss, dass er ihr diesen Wunsch nicht wird abschlagen wollen. „Chumm, mir gönd is Odeon zerscht eis go näh.“

Während die beiden die wenigen Meter vom Hechtplatz zum Odeon schlendern, beginnt Ruedi Walter ganz schwärmerisch zu parlieren. „Weisch no im letschte Summer, wo für eus alli so en wunderbare Wurschtchässalat gmacht hesch?“

„A das magsch du dich no erinnere?“, lächelte Margrit Rainer geschmeichelt, „Das isch jo nöd grad so ä riesig schwierigi Aglägeheit gsii.“

„Doch, doch“, widerspricht ihr Walter sofort, „dä Wurschtchässalat isch ganz famos gsi. Mit dännä häärzige Bliemli. Das isch s’erschtmol gsii, wo’n i Bliemli gässä han. Das het mir jo mini Frau deheimä fasch nid glaubt. Scho wo’n i dur Tire gho seig, heig i usgseh, als ob i än Erschinig gha heig.“

Margrit Rainer bleibt vor ihm stehen und beginnt nun zu lachen. „Aber Ruedi, wenn ich gwüsst hät, dass du so än LIechtgläubige bisch, dänn het ich kei Kapuzinerchressi uf dä Salat tue. S’Nögschtmal tuen ich denn Gänseblüemli druf, denn bliibsch wenigschtens unschuldig.“

Bsss. Klack. Schon ist es wieder eingefahren, das Zauberteleskop. Wie eigenartig, wenn man zwei ganz Grosse der Schweizer Theater- und Cabaretszene so beiläufig über einen Wurstkäsesalat sprechen hört. Und der Humor, wie bieder uns der doch erscheint: „S’Nögschtmal tuen ich denn Gänseblüemli druf, denn bliibsch wenigschtens unschuldig.“ Das hätte auch von meiner Grossmutter – Gott hab sie selig – stammen können, was auch mit den Jahrgängen von Rainer und Walter etwa hinkäme. Aber wenigstens hat das Odeon damals noch besser ausgesehen.

Donnerstag, 18. Juli 2013

Salzige Kirschblüten im Mittelmeer





Asuka stand weit über dem Meer auf einem Felsen und blickte in die Gischt, welche sich unter ihr in der Brandung wie ein weisses Feuerwerk, wie in die Luft geworfene Kirschblüten, wie aufwirbelnder Schnee vom Fuji Yama oder wie die perlenden Regentropfen auf dem Gesicht einer Geisha in den Himmel hüpften.

Wie viele Bilder es doch für so etwas gab. Hier, auf einer Insel im Mittelmeer, weit ab ihrer Heimat, wo sie nach Wochen mit einem grossen Segelschiff gelandet war. Hier, wo die heissen Sommertage für sie mehr eine Plage denn eine Freude waren. Hier, wohin sie den Worten eines jungen Mannes aus einer anderen Kultur gefolgt war, weil dieser zu beschreiben vermochte, was keiner ihrer Landsleute so zu beschreiben verstand. Es waren Worte der Leidenschaft zu einem Land, zu einem Meer und zu einer Natur, die ihr wie ein Leuchtfeuer den Weg zu einer anderen Welt zeigten. Worte der Liebe und Sehnsucht, der Begeisterung und Ehrfurcht. Worte, die als kauzige Sprache aus dem Mund dieses Mannes purzelten, sich dann aber in ihrer Fantasie zu den schönsten Tuschezeichnungen malten. Vor allem aber hatte sie ihr Herz an ihn verloren, weil er über etwas ganz Bestimmtes sprach. Etwas, das ihre beiden Seelen über alle Meere hinweg zusammenführen musste: Und das war Salz.




Sonntag, 14. Juli 2013

Süsse Verführung beim Vatikan.















„Fatto fresco!“, hört man eine Stimme durch die Dämmerung der anbrechenden römischen Nacht hallen. Zwischen den Rhododendren der vatikanischen Gärten blicken sich die grossen Tiere des heiligen Stuhls ungläubig an, machen dabei grosse Augen und klatschen wie wild, als wären sie noch kleine Kinder, in beide Hände. Es ist also wieder soweit. Die süsseste aller Verführungen lockt wieder. Und habemus voluptas.

So wird sofort alles stehen und liegen gelassen und man rennt mit hochgezogenen Soutanen, in schwarzen Seidenstrumpfhosen und edlen Lederschuhen querfeldein über den akkurat frisierten Rasen, hin zum Tor, das am ehesten zur Via del Gracchi führt. Denn jede Sekunde zählt. Schliesslich ist die Platzzahl begrenzt und ihr Ziel ist ein Ort, an dem die Kirchenfürsten nicht bevorzugt behandelt werden. Und sie wissen das nur zu genau. Denn schon manches Mal mussten sie wieder von dannen ziehen, weil Giuseppe, der langjährige Kellner, die Kirche eben im Dorfe stehen liess und ihnen korrekt, aber sehr bestimmt zu verstehen gab, dass er jetzt für sie keinen Platz mehr hatte. Da half auch ein noch so gütiges Lächeln, ein paar leere Versprechungen oder eine kleine Vorabendsegnung nicht. Giuseppe hatte eben Prinzipien und, wie es schien, die höchste Macht ausserhalb des Vatikans.
Nichtsdestotrotz rannten die Kleriker auch heute wieder durch die Strassen Roms und liessen ihre Ehrwürdigkeit vollends auf der Strecke liegen. Denn „fatto fresco“ war ihnen als lukullischer Schlachtruf heilig. Und man wollte es sich nicht entgehen lassen, dieses wunderbare, zartschmelzende und hausgemachte Tiramisu, das elegant in einem Glas serviert wurde, heute noch in die Magengrubezu versenken. Dafür war es einfach zu erhaben. Und so viel Weltlichkeit musste einfach sein.


Ristorante Il Matriciano, Via dei Gracchi 55, 00192 Rom, Telefon +39 06 321 2327




Freitag, 12. Juli 2013

Venusmuscheln mit Meryl Streep

Alle rieten mir dazu, einen 68er Mustang GT 390 zu kaufen, wie ihn Steve McQueen in ‚Bullitt’ übers Zelluloid und durch die Strassen San Franciscos geschleift hatte. Doch irgendwie fand ich, dass ein Rolls Royce Corniche Cabriolet von 1971 besser zur Westküste und zu meinem kleinen Ausflug passte. Schliesslich hatte ich mich mit Meryl Streep verabredet, um mit ihr über die Verfilmung meines Buches zu sprechen, welches mir hier in Hollywood alle Türen öffnete und für dessen Mitarbeit am Drehbuch ich einen absurd hohen Betrag erhalten würde. Also erstand ich einen cremefarbenen Corniche, der einem kürzlich verstorbenen Film-Produzenten gehört hatte und für den ich wohl zu viel bezahlt hatte. Aber seit ich sozusagen über Nacht zu einem schwerreichen Mann geworden war, konnte ich solchen kleinen Launen ohne mit der Wimper zu zucken einfach nachgeben.

Ja, ich konnte die richtige Lackierung eines Wagens weit über die Zweckmässigkeit seiner Anschaffung stellen; auch wenn man diese in meinem Fall durchaus mit gutem Grund ins Reich des Absurden verdammen konnte. Denn wahrscheinlich wäre ich auch mit einem Honda Prius Hybrid an mein Ziel gekommen. Und Mrs. Streep wäre es wohl so ziemlich egal, womit ich mit ihr zu unserem kleinen Lunch fahren würde. Schliesslich war es ja sie, die mich anrief, um die Rolle der Klara Beckmann zu bekommen. Ja, sie hatte darauf bestanden, mich noch in dieser Woche sehen zu wollen, um meine inspirierenden Gedanken mit ihr teilen zu können. Selbst wenn sie für einen Lunch extra von der Ostküste hierher nach Kalifornien fliegen müsste. Ich meine: Meryl Streep bietet mich um ein gemeinsames Mittagessen! Das will man doch irgendwie für sich selbst auch zelebrieren.

Ich machte mich also mit meinem neuen Rolls Royce auf den Weg nach Santa Barbara, um das Restaurant zu rekognoszieren, in dem ich vor Jahren mal eine fantastische New England Clam Chowder gegessen hatte. Es handelte sich dabei um das Brophy Bros., gleich beim Hafen. Eigentlich nichts Extravagantes, sondern beinahe schon eine Art Touristenrestaurant, in dem man an einfachen hölzernen Tischen und an einer langen Bar gute Fischspezialitäten zu essen bekam. Und auch wenn alle meine neuen Freunde in Hollywood mich für verrückt hielten, die beste Schauspielerin des ganzen galaktischen Universums an einen solchen Ort zu führen – und das auch noch selbst am Steuer –, schien es mir durchaus angebracht, dieses Date so zu gestalten, wie ich es wollte. Denn ich war ja quasi jetzt selbst ein Star. Und ausserdem kam ich aus einem Land, das die meisten Amerikaner mit Schweden verwechselten, was mich irgendwie zu einem Kuriosum machte. Auch würde ich Mrs. Streep erklären, dass ich solche Orte inspirierender fände, als all diese überbewerteten Beverly Hlls Restaurants. Ich glaube nicht, dass mir eine so intelligente Schauspielerin wie Mrs. Streep („Nennen Sie mich doch einfach Meryl.“) mir darin widersprechen würde. Denn sie wollte ja was von mir. Also ich fand meinen Plan so ziemlich genial.

Als ich schliesslich in Santa Barbara ankam und dort meine neue alte Luxuslimousine geräuschlos auf einen Parkplatz fuhr, stieg mir der Duft des Pazifiks in die Nase. Eine Mischung von Algen, Salz und Wasser, begleitet von den Rufen der Möwen. Ich stellte den Motor ab und blieb noch einen Augenblick sitzen. Die Sonne stand noch knapp über dem Meer und der Wind spielte mit meinen noch wenigen Haaren. Und plötzlich fiel mir das Herz in die Hosen und vor mir tippte sich eine Frage in den Himmel, als wäre der ein verdammter Computer-Screen: Was, wenn Meryl Streep eine Muschelallergie hat?


Montag, 8. Juli 2013

Sieben Zwerge mit Schoggijob.


Es war einmal ein Samstagnachmittag auf der Josefwiese in Zürichs Kreis 5. Schneewittchen und die sieben Zwerge sonnten sich auf der Wiese und wollten sich von des Tages Werk ausruhen. Doch statt dass Schneewittchen, dieses Luder, auf die Kleinen aufpasste, flirtete sie mit einem dieser bärtigen Studenten der Zürcher Hochschule der Künste. Der studierte dort Design, wie übrigens auch seine Kumpels, die daneben gerade lässig gelangweilt ein paar Petanque-Kugeln durch die Luft warfen, und schwatze unserem Schneewittchen die Ohren voll, wie total wichtig es sei, mit dem eigenen Outfit ein Statement abzugeben. „Outfit, Statement, so cool!“, dachte Schneewittchen begeistert. Was waren das doch für wunderbar moderne Ausdrücke. Und da sie ja selbst dieses Disney-Kleidchen irgendwie satt hatte, war sie entschlossen, diesen angehenden Designer schöne Augen zu machen, damit er ihr vielleicht zu einem neuen Statement verhelfen mochte. (Aber mal ehrlich, können Sie sich Schneewittchen in einem Adidas Trainerjäckchen vorstellen?)
So kam es, dass die sieben Zwerge völlig unbeaufsichtigt Reissaus nahmen und sich im schönen Zürich auf eine süsse Mission machten. Und diese hatte nur ein Ziel: Schokolade, und was man alles daraus machen konnte.
Zuerst trotteten die Zwerge „Johei, johei“ in das Restaurant ‚Markthalle im Viadukt’, wo sie ihrem süssen Gluscht mit etwas Schokoladen- und Vanilleeis beizukommen versuchten. Herrlich erfrischend, wunderbar sämig in der Struktur und geschmacklich von ausgewogener Süsse. „Johei, johei.“ 
Weiter ging es mit dem Zwergenlied bis zum Hauptbahnhof, wo man sich bei ‚Sprüngli’, schwupsdiwups, ein paar Truffes du Jour in die bärtigen Backen stopfte. Auch hier wurden sie mit einer verführerischen Süsse von grosser Intensität belohnt. „Johei, johei.“ 
Schliesslich kugelten sich die sieben Schokozwerge ins Niederdörfli und okkupierten einen Tisch bei der Brasserie ‚Louis’, einem erst kürzlich eröffneten Restaurant, das sich etwas französisch gab und deshalb auch auf der Speisekarte mit entsprechender Küche zu verführen versuchte. Schnell entschlossen nahmen unsere Zwerge die Abkürzung zum Dessert und bestellten alle einen Schokoladenkuchen mit flüssigem Kern, welcher mit einer Kugel Fior di Latte-Eiscreme serviert wurde. Was für ein Fest. „Johei, johei.“ 
Dann zog man weiter Richtung See, wo man in der ehrenwerten ‚Kronenhalle’ Platz nahm. Hier musste unbedingt das Mousse au chocolat probiert werden, das nicht nur hier in diesem Restaurant, sondern auch in der ganzen Stadt seit Jahren schon als eine kulinarische Legende gilt. Et voilà, man hatte den sieben Zwergen nicht zu viel versprochen. Das hier war nach wie vor die Mutter aller Mousses in Zürich, mit einem Gutsch crème fraîche in schönste geschmackliche Balance gebracht, perfekt in Konsistenz und unwiderstehlich im Geschmack. „Johei, johei.“ 
Die letzte Station der Tour du chocolat wurde bei ‚Vollenweider’ gemacht, wo man im Gedenken an Elisabeth Taylor Cleopatra Truffes erstand und diese, mit Gold verzierten Kostbarkeiten genussvoll auf der Zunge zergehen liess. Das war Schokolade, die sogar Pyramiden versetzen konnte und die Zwerge glauben liess, sie wären über sich hinaus gewachsene Hauptdarsteller in einem Sandalenfilm. „Johei, johei.“

Mittwoch, 3. Juli 2013

Eine göttliche Schmierenkomödie

Es gibt sie noch, die guten Geschichten aus Italien, die ohne Ironie, Sarkasmus oder gar Zynismus erzählt werden können. Und nicht alles was mit Schmierenkomödie im Stiefelchen Europas gemeint sein will, muss zwingend gleich an so diffuse Komiker wie Berlusconi, Grillo und andere Pagliaccio-Figuren denken lassen. Auch wenn die Versuchung sehr, sehr gross ist, diese nicht nur mit ein paar verbalen Knüppeln, sondern gleich auch mit einer Breitseite von Kopfnüssen aufs Korn zu nehmen. Breitseite von Kopfnüssen? Wie auch immer. Aber was will denn ich, als unbedeutender Gondoliere aus dem Norden, dieser Armada von Witzfiguren entgegenhalten?

Sehen Sie, schon habe ich mich wieder selbst in etwas hineingeredet und bin den profanen Abschweifungen erlegen, welche mir von Milano an südwärts auf dem Silbertablett serviert werden. Dabei wollte ich von einer wirklich wunderbaren Schmierenkomödie berichten, die uns ein Lächeln aufs Gesicht zaubert, weil sie, ohne den Mund zu voll zu nehmen, uns so sehr mundet. Die Rede ist von der Bruschetta.


Damit aber eine Bruschetta zur Schmierenkomödie wird, sollte man sich unbedingt die folgenden Kochanweisungen zu Herzen nehmen: Wir beträufeln Weissbrotscheiben (es schmeckt auch wunderbar mit dem guten klassischen Schweizer Ruchbrot) mit Olivenöl und backen diese bei 220° (Ober- und Unterhitze) in der Mitte des Ofens 10 Minuten lang auf einem Blech. Während die Bruschette gebacken werden, würfeln wir aromatische Tomaten in kleine Stücke, beträufeln diese mit kaltgepresstem Olivenöl und geben etwas Fleur de Sel hinzu. Dann nehmen wir eine Handvoll frischen Basilikum und zupfen diesen zu kleinen Blättchen, die wir ebenfalls den Tomaten beigeben und dann alles mischen. Wenn die Brotscheiben fertig gebacken sind, lassen wir sie 5 Minuten auskühlen und reiben sie dann mit einer Knoblauchzehe ein. Dann streichen wir Mascarpone auf die Scheiben und häufen die Tomatenmasse ebenfalls auf die Bruschette. Und das Festspiel kann beginnen. Und glauben Sie mir, Sie werden sich selber applaudieren.


Montag, 1. Juli 2013

Lambchop

Wieder sitzen wir am offenen Fenster, während die Welt an uns vorbeirauscht. Mit einem breiten Pinsel auf eine leere Leinwand gemalt, verliert sich die Intensität der verschiedenen Gelb- und Lilatöne der in der hereinbrechenden Nacht liegenden Landschaft langsam im Nichts. Aus den Autolautsprechern kullert die zerbrechliche Stimme von Kurt Wagner, und die eleganten Klänge seiner Band Lambchop pulsieren wie durchsichtige Quallen hinaus in die Dämmerung und tauchen ins klare Himmelsmeer. Plötzlich steigt ganz unvermittelt ein würziger und intensiver Duft von gebratenem Fleisch in unsere Nase. Das Blinklicht tickt synkopisch zur Musik, die Reifen knirschen auf Kies und schliesslich kommt der Wagen zum Stehen. Lambchop verstummt.

Wir haben uns einen Scherz aus der Tatsache gemacht, dass es heute Lamm zum Abendessen geben soll, und die Musik ganz danach ausgerichtet, auch wenn nur dem Namen nach. Doch jetzt wo wir in der Trattoria della Posta vor unseren Tellern sitzen und ich die ersten Bissen des Agnello da latte al forno probiere, scheint aus der Albernheit eine Fügung geworden zu sein. Unwissentlich haben wir den Soundtrack zu diesem eleganten Essen vorweg genommen. Ein Gericht voller unaufdringlicher Poesie, geradlinig, ungekünstelt und doch umwerfend. Ein solches Lamm kriegt man nicht alle Tage serviert. Und ich muss spontan genau an vier Restaurants in den letzten zwei Jahren denken, die für uns unverhofft zu einer kleinen Offenbarung wurden und uns in Erinnerung bleibend zeigten, wie grossartig Lamm auf die verschiedensten Arten gekocht werden kann.

Da wären das ‚54 Mint’ in San Francisco, wo wir einen im Rotwein geschmorten Lammschlegel assen, den wir in dieser nüchternen Seitenstrasse südlich der Market Street so wohl nicht erwartet hätten. Dann das Restaurant ‚Kaiserstock’ in Riemenstalden, zu dem man über eine kleine, sich in die Höhe schlängelnde Strasse über dem Vierwaldstättersee gelangt und das uns, inmitten eines Meeres von Blumenkästen sitzend, mit wunderbaren Gigotbraten grosse Freude bereitete. Dann das Restaurant ‚Sissi’ in Meran, in dem uns der buben- und schalkhafte und überaus freundliche Andrea Fenoglio eine geschmorte Milchlammschulter servierte, dessen Fleisch wie pulvriger Schnee vom Knochen zu fallen schien. Und schliesslich die ‚Trattoria della Posta’ hier in Monforte d’Alba mit dem Agnello da latte al forno.








http://www.kaiserstock.ch/