Samstag, 11. Januar 2014

Gute Nacht John-Boy



Wummmmmmssss! Die schwere Haustür schlug zu, als wäre es für immer. Die noch eben bestrittene Schneeballschlacht, das kurze Wettrennen nach Hause und die vor der Tür nachlässig liegen gelassenen Schlitten waren schon Vergangenheit und in weite Ferne gerückt.

Der Sonntag hatte für uns Kinder abends eine eigene Magie. Nicht, weil wir uns auf die kommende Schulwoche freuten (solche Streber waren wir nicht). Auch nicht, weil uns ein warmes Schaumbad erwartete, bei dem wir das ganze Badezimmer zu einem einzigen Ozean werden liessen. Und auch nicht, weil Vater uns sonntags aus einem Buch Geschichten vorlas, die ihm in seiner Jugend (das musste bestimmt schon Zweihundert Jahre her sein) schon unser Grossvater vorgelesen hatte.

Der Grund, warum wir den Sonntagabend liebten, waren die Waltons. Und die heissen Wienerli, die wir dazu ausnahmsweise auf dem Sofa essen durften, damit Mutter mit ihrem Zeitmanagement nicht in Verzug geriet (Wehe, ihr verdreckt den Stoff mit Senf!). Wienerli waren somit zum ersten Fastfood in unserem Leben geworden. Und dafür liebten wir sie. Denn fernsehen und gleichzeitig essen war ein Ding, das bei uns eigentlich undenkbar war. Aber da Mutter eine Schwäche für John Boy hatte und Vater den Krämer Ike Godsey einfach köstlich fand (Mein Gott Vater, was benutzt du denn für Adjektive?), gehörte das Wienerli-Essen am Sonntagabend einfach zu unseren wöchentlichen Ritualen.

Diese Geschichten zur Zeit der amerikanischen Depression (Mami, warum gab es eigentlich eine Zeit, die nach Onkel Theos Krankheit benannt wurde?) waren für uns etwas Eigenartiges und Fremdes, das uns aber auf seltsame Weise zu berühren schien. Es war eine heile Welt zu einer unheilvollen Zeit. Es waren rechtschaffene, biedere und zuweilen moralisierende Alltagsgeschichten, die uns wie bei einem Märchen Botschaften zu vermitteln versuchten, aus denen jeder zu seiner eigenen Erkenntnis gelangen konnte.

Für meine ältere Schwester war es die Erkenntnis, unserer Mutter dafür dankbar zu sein , dass sie nach meiner Geburt mit dem Kinder gebären aufgehört hatte. Für meinen älteren Bruder war es die Erkenntnis, dass so ein rothaariges Mädchen doch auch noch herzig sein konnte. Und für mich war es die Erkenntnis, dass Wienerli mit Mayonnaise einfach besser schmeckten.

Und was meinst du John-Boy? Nichts? Ok. Gute Nacht John-Boy.

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