Mittwoch, 22. Januar 2014

Matjes ahoi



Die Wellen schlugen wie wild gewordene Wassernixen gegen die Schiffswände, während die Wolken tief und stählern den Wintertag auf dem Meer verdüsterten, so dass man glaubte, alle nordischen Götter hätten sich gegen die Fischkutter verbündet und deren Untergang schon besiegelt. Kapitän Strowel aber, ein alter lustiger Seebär mit ausgesprochen vielen Lachfalten um die Augen und einem vollen schneeweissen Bart, tat, was er in solchen Momenten immer zu tun pflegte: er stopfte sich die Pfeife, lachte vor sich hin und vergnügte sich überaus köstlich über die erschrockenen Gesichter seiner Mannschaft, welche alle das Ende ihrer Existenz in meterhohen Wellen auf sich zukommen sahen.


Doch Strowel war mit der See verbündet, kannte die Stürme und Launen des Nordens und liess sich nicht aus der Ruhe bringen. Denn, und das war für ihn so sicher wie das Amen in der Kirche, der olle Meister im Himmel würde ihn nicht zu sich holen, bevor er nicht noch einmal von dem wunderbaren Matjessalat seiner liebsten Adele gegessen haben würde. Dieses herrlichste aller Gerichte – das mit eingelegtem Hering, Äpfeln, Zwiebeln, saure Sahne, Essiggurken und selbst gemachter Mayonnaise all das verband, was die Seele eines Seemannes ehren konnte – würde mit Sicherheit das Letzte sein, was er auf Gottes Erde sehen würde. Also war gar nicht daran zu denken, dass seine ‚Lorelei’ heute nicht auch in den Hafen von Wustrow einlaufen würde. Und siehe da, da war auch schon das Leuchtfeuer zu sehen. Und wenn man die Nase in den Wind hielt, ja dann, dann konnte man sogar schon den Matjes riechen. Nein, heute war kein Tag zum Sterben, heute wurde noch einmal das Leben gefeiert.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen