Samstag, 5. April 2014

Das Brot des Poeten



Was essen eigentlich arme Poeten. Hartes Brot? Knäckebrot? Salat ohne Sauce? Oder gar McDonald’s? Leben sie nur von den geistreichen Gedanken und den geschliffenen Sätzen, die sie mit Bedacht auf ein Papier kritzeln? Schreibt man heute noch überhaupt auf Papier? Und was sind arme Poeten überhaupt? Sind das lebensunfähige Neurotiker, die ihr Leid einfach verbalisieren und es dennoch, so glücklos wie sie sind, für sich behalten müssen?

Ich bin überzeugt, Sie haben sich diese Fragen bestimmt auch schon einmal gestellt.

Gut, gibt es da Elefant à la crème, der sich als zeitkritischer und kulinarisch angefixter Schreiberling – der seine Brötchen mit Schreiben übrigens durchaus zu verdienen weiss und schon deshalb nicht zu den armen Poeten gezählt werden möchte – mit solch virulenten Fragen beschäftigt und diesem Phänomen auf die Spur geht. Und ich kann ihnen sagen, dass ich einen solchen armen Poeten gefunden habe und zufällig auch weiss, was seine Verpflegungsgewohnheiten sind.

Hans ist ein Mann in den Vierzigern. Er kleidet sich gerne wie das Klischee eines Architekten (schwarz, schwarz, schwarz und nochmals schwarz), trägt eine Hornbrille (schwarz), ist unrasiert und hat immer ein sehr komplexes Sternenbild von Schuppen auf den Schulterpolstern. Sein Kopf ist stets etwas rot und aufgedunsen (vom Alkohol), seine Sozialkompetenz (meine Gedanken gehören mir) inexistent und seine literarischen Leistungen (die Gesellschaft ist noch nicht bereit für meine Sprache) sind ein Mythos. Nichtsdestotrotz ist es mir gelungen, die Tiefen seiner Gedanken auf einem mit schnoddriger Schrift hingeschriebenen Blatt Papier ergründen zu können:

„Ich schreibe mit kurzen Bleistiften liederlicher als mit langen. Warum? Weil ich nicht anders kann. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn ich so schreiben könnte, wie mir die Hand gewachsen ist. Aber je kurzstiftiger ich schreibe, umso mehr verkrampfte ich mich. Und die Pharmaindustrie mit dem Kauf einer Gelenksalbe zu unterstützen, scheint mir nun doch des Guten zu viel. Also was tun? Weg mit dem kurzen Bleistift? Da nützt auch der Gummi am anderen Ende als stummelige Verlängerung rein gar nichts. Nein, es ist hoffnungslos. Das Schreiben darf nicht zur körperlichen Marter werden, wenn die Gedanken frei bleiben sollen. Weg mit den zu kurzen Bleistiften. Aber wohin? Nicht einmal mehr die Brockenstuben würden sie noch nehmen. Die nehmen ja noch nicht einmal mein altes Handy.“

Habe ich zu viel versprochen? Hans ist tatsächlich ein armer Poet. Literarisch auf jeden Fall. Doch statt ihn zu bemitleiden, habe ich mich natürlich ganz im Sinne meiner Aufgabe als Essensforscher dafür interessiert, was er so Tag für Tag isst.

„Heh, du Hans, was isst du denn so?“

„Was ich esse? Kommt ganz drauf an, was es in der Kantine gibt.“

„Kantine? Was für eine Kantine denn?“

„Die von unserem Geschäft.“

„Geschäft? Du arbeitest in einem Geschäft?“

„Ja, im Call-Center eines Telekommunikationsunternehmens.“

„Du bist also gar kein armer Poet?“

„Doch doch, schon. Einfach nicht Vollzeit.“

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