Samstag, 2. November 2013

Barockes Gaumenerlebnis

Barock ist hellblau, zartlila und chamoisfarben. Er glänzt als goldene Verzierung oder manierierte Stuckatur vom Himmel herab und leuchtet mit den letzten Sonnenstrahlen des Tages in einen blass blauen Himmel hinein, unter dem sich verspielte Wellen eines türkisfarbenen Meeres auf einer Linie kunstvoll kräuseln. Barock ist auch die Klangwelt von Bach und Händel, in denen die Freude und das Leid der Menschen zur vollkommenen Schönheit werden. Wo Tod und Geburt sich versöhnend die Hände reichen, um als zartbitterer Trost dem Leben einen Sinn zu geben. Barock schmeckt nach gebratenen Rebhühnern in zerlassener Butter mit Estragon. Nach mit Pflaumen gefüllten Tauben, die man in vergorenem Apfelsaft und der Beigabe von aufgequollenen Rosinen mariniert hat. Und natürlich auch nach zuckrigem Backwerk, das einen Hauch von Butter, Vanille und Kreuzkümmel in die Nase steigen lässt. Barock ist die materialisierte Üppigkeit. Pralle Hintern, schneeweisse Frauenbrüste und beleibte Kardinäle mit Gold überwucherten Fingern. Barock ist der Apfel der Verführung. Ausgelassenes Schweinefett in Tontöpfen. Weiss gepuderte Lockenköpfe. Barock ist die trügerische Vorstellung von Luxus und Pomp, hinter der sich ganz andere Wahrheiten verstecken. Barock ist eine Realität, die traumwandlerisch neben tiefsten Abgründen einher geht und nur darauf wartet, mit gnadenloser Gewalt vom Sockel gestossen zu werden. Barock ist wie ein letztes Abendmahl.

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