Dienstag, 19. November 2013

Obelix ante portas



Ich stand an einem Donnerstag im Oktober auf der Piazza Fortebraccio in Perugia und hielt ein Panini mit Porchetta in der Hand. Spanferkel, wie lange hatte ich das schon nicht mehr gegessen und wie wunderbar ist es, dass man das in Italien heute noch auf den Wochenmärkten bekommt. Dieses saftige Stück Fleisch, das nach etwas Knoblauch, Rosmarin und Oregano schmeckt, und dessen Schwarte zur knusprigen Kruste mit einem leicht süsslichen Geschmack wird, wenn man es geduldig und mit genug Bier und etwas Honig stundenlang übergiesst.

Und dieses Fleisch, das ich jetzt in Händen hielt, erinnerte mich an meine Jugend. Es katapultierte mich zurück in die Zeit, als ich nachmittags in meinem Zimmer auf der Bettdecke lag und mich davon machte. 2000 Jahre zurück. 50 Jahre vor Christus. In ein ganz kleines Dorf im Nordwesten Galliens, in dem Asterix und Obelix lebten, die den Römern trotzten, Wildschweine jagten, Abenteuer bestanden und am Ende immer ein Fest feierten. Ich war innerhalb von ein paar Sekunden um 40 Jahre jünger geworden und roch jetzt das Papier des Comics, die Bettwäsche mit ihren kleinen aufgedruckten roten Röschen und den Manchesterstoff meiner kurzen Hose. Und ich sah vor allem die grosse runde Tafel, an denen die lustigen Gallier sassen, Met tranken und den Barden Troubadix an eine Eiche gefesselt hatten. Und natürlich immer wieder Obelix, der die gebratenen Wildschweine gleich ganz zu verschlingen schien. Wie wäre ich als Kind doch gerne ein Teil dieses Festes gewesen, ein Bewohner dieses Dorfes, eine Figur aus einer gezeichneten Welt, die nichts mit dem gemein hatte, was sich bei mir im Leben gerade abspielte. Keine Schule, kein parteiischer Lehrer, keine Kletterstange, keine foppenden Mitschüler, kein Ausgelachtwerden.

Von solcherlei Gedanken in die Vergangenheit entführt, bemerkte ich plötzlich, dass mir Tränen in den Augen standen. Keine grossen, keine bitteren und keine reuevollen. Aber es waren Tränen. Ich stand hier mitten auf einem belebten Platz und weinte. Ich weinte, und ich war auf eine lächerliche Weise glücklich. Denn ich hatte Hunger. Und ich hatte ein Brot mit Spanferkel in der Hand. Und ich war jetzt Obelix.

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