Montag, 10. Februar 2014

Der Lohn der Arbeit



Wenn man auf dem Vorplatz seines englischen Schlosses steht und Arthur dem Fahrer (sie heissen immer alle Arthur) dabei zuschaut, wie er deinen alten Rolls Royce auf Hochglanz bringt, in dem er diesen mit einem Hirschleder – dessen vorheriger Inhaber in den Wäldern des Lake Districts erlegt wurde – in kleinen Kreisbewegungen unerschütterlich abreibt, dann bleibt dir gar nichts anderes übrig, als sich von deinem Butler James (auch sie heissen immer so) ein paar kleine Häppchen servieren zu lassen. Und zwar keine trockenen Sandwiches mit bleichem Toastbrot und Mayonnaise mit Beilage, sondern vielmehr kleine kulinarische Träumereien, die in den weltbesten Restaurants als Amuse bouche serviert werden. Das bist du dir, deinem Rolls Royce und dem Schloss einfach schuldig.

So stehe ich also auf meinem Schlossplatz und schaue Arthur dabei zu, wie er gerade meinen Rolls Royce Phantom V gewissenhaft und beinahe zärtlich mit dem Hirschleder behandelt, während der Himmel über uns mit seinen Schäfchenwolken so aussieht, als hätte ihn René Magritte soeben für mich hingemalt. (Und glauben Sie nur nicht, dass das unmöglich wäre!) Und während ich Arthur mit einem Lächeln der Zuneigung beobachte, weil er diese zärtlichen Gefühle zu meinem Wagen mit mir zu teilen scheint, tritt James neben mich, macht eine kleine Verbeugung, die eher wie ein Zwicken in seinem Kreuz ausschaut, und hält mir eine ebenfalls auf Hochglanz polierte und aus reinstem Silber bestehende Platte hin, auf der meine Augen wunderbare Köstlichkeiten entdecken. Und wie ich sehe, hat Gaston, mein französischer Koch (gibt es überhaupt französische Köche, die einen anderen Namen tragen?), wieder einmal sein ganzes Repertoire ausgepackt und mir ein paar überaus nette Dinge kreiert.

Tja, Gaston weiss nur zu gut, dass meine tägliche Rolls Royce-Putzstunde heilig für mich ist, weshalb er alles dafür tut, damit diese Augenblicke für mich zu einem synästhetischen Genussmoment werden. Auch wenn er dafür schon morgens um 4 Uhr in der Küche stehen muss. Also hat er heute folgende kleine Leckereien zubereitet: Auf einem chinesischen Porzellanlöffel aus der Ming-Dynastie (ich lege nun einmal Wert auf die richtigen Details) sehe ich ein kleines Wachtel-Spiegelei mit ein paar Trüffelspänen. Daneben steht ein kleines Glas mit einem Kresse-Zitronengrass-Süppchen mit etwas Schnittlauch und einem Tropfen geschlagener Sahne. Dann ist da noch ein kleines Tellerchen mit einer frittierten Entenfleischkrokette, die auf einer Brunoise von Sellerie und Orange liegt. Dann wiederum ein Porzellanlöffel mit einem Carne crudo vom Kobe-Rind mit kaltgepresstem Olivenöl und Fleur de Sel. Und schliesslich noch ein kleines Silberkörbchen mit drei unterschiedlich gefüllten Brioches. Das erste Brioche ist mit einer Gänseleberpraline gefüllt. Das zweite Brioche ist mit einem Kräuterschaum mit Kerbel, Dill und wildem Thymian gefüllt. Und das dritte Brioche mit einem Tartar aus japanischem Gelbschwanz, das mit einer Wasabi-Limettenmarinade über Nacht mariniert wurde. Herrlich! Und wenn ich Ihnen sage, dass das alles auch so himmlisch geschmeckt hat, wie es mir präsentiert wurde, dann möchte ich Sie jetzt, lieber Leser, vor Neid erblassen sehen.

Aber wie gesagt, wenn man auf dem Vorplatz seines Schlosses steht und der Rolls Royce auf Hochglanz gebracht wird, dann muss man für seine Bemühungen auch richtig belohnt werden.
    

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