Donnerstag, 6. Februar 2014

Work-life-balance-midlife-crisis



„Ach wissen Sie, wenn ich in den Spiegel schau, dann sehe ich zwar keinen gelackten Beau mit gezupften Augenbrauen – ich schneide sie mit der kleinen Nagelschere –, aber dafür sehe ich einen zufriedenen übergewichtigen Mann im mittleren Alter. Und offen gestanden, benutze ich auch keine Hautcreme, es sei denn die Wintertage sind derart trocken, dass man meine Haut als Schleifpapier brauchen könnte. Ja, dann greifen meine Patschhändchen tatsächlich auch mal ins Töpfchen. Und was die Waage angeht, ach, was soll ich dazu schon sagen? Natürlich wären ein paar Kilos weniger – etliche, um ehrlich zu sein – meiner Gesundheit zuträglicher, und auch mein Arzt hätte wohl seine Freude an mir. Aber soll ich mich wirklich mein Leben lang mit Diäten quälen, die schon meine Mutter zur Verzweiflung gebracht und mit der Zeit zur unausstehlichen Person haben werden lassen? Und was heisst schon gesund?

Selbstverständlich bin ich Meister darin, mir gewisse Dinge schönzureden. Aber das scheint mir doch immer noch der bessere Weg zu sein, als Dinge zu verteufeln. Ich mag einfach nicht in diesen Mainstreamkram von wegen gesunder Lebensweise, ausgewogener Ernährung und Work-life-balance einstimmen. Erstens sind es Worthülsen, für die es ungelogen tausend verschiedene Rezepte gibt, die alle für sich die alleinseligmachende Richtigkeit beanspruchen. Zweitens dünkt mich lustvolles Geniessen irgendwie lebensbejahender und gesünder zu sein als miesepetriges Herunterwürgen von wertvollen Nährwerten. Und drittens habe ich auf meine Work-life-balance ja nur soviel Einfluss, wie es die äusseren Umstände – mein Job, meine Freunde, der Delikatessenladen auf dem Nachhauseweg – zulassen.

Aber wissen Sie, was wirklich der Punkt an der ganzen Geschichte ist? Ich esse gern. Ich geniesse all die herrlichen Dinge, die meine Sinne betören und die mich glücklich machen. Und Herrgott noch eins, ich bin ein Elefant. Warum soll ich also auf einmal zur Gazelle werden?“

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